Wenn ich an Verschwörungen glaubte, so hätte ich hier eine wunderbare Szene vor Augen: Eine Gruppe von Wissenschaftlern untersucht bestimmte Phänomene über Migration, ein bekanntes Sensationsblatt nutzt das aus und veröffentlicht Bausteine der Untersuchung um eine These zu untermauern, die von der Untersuchung gar nicht gestützt wird. Dann werden eilfertig Minister zitiert die sich sofort hinter die These stellen und den „Beweis“, also die Studie noch gar nicht gelesen haben können. Kurz darauf wird ein Politiker verabschiedet, der ebenfalls der These widersprochen hätte. Und dann – als die Geschichte schon wieder im Dschungel der neuesten Nachrichten unterzugehen droht – taucht ganz schnell eine Story über einen Türken mit mangelhaften Deutschkenntnissen auf.
Das nenne ich eine perfekte Choreographie. Gestern morgen eröffnete die Abendzeitung München den Lokalteil mit der Schlagzeile, daß ein Schöffe abtreten muß, weil er kein Deutsch könne. Natürlich ein Türke.
Und nun wird es dezent unappetitlich: Der Mann sprich Deutsch. Recht gut sogar, allerdings spricht er nicht so gut Deutsch, daß er einem Isotopengutachten folgen kann, wie die Sueddeutsche Zeitung berichtet. Nur um das mal kurz zu erklären: Ein Isotopengutachten ist eine Methode der Rechtsmedizin, bei der mit Hilfe von Messungen von Isotopen, einer anderen Form eines Nuklides mit mehr oder weniger Neutronen als das ursprüngliche Element (Das bekannteste Isotop dürfte Deuterium sein – schwerer Wasserstoff) bestimmte Zusammensetzungen nachgewiesen werden aufgrund derer man Rückschlüsse auf beispielsweise den Aufenthaltsort von jemanden ziehen kann.
Alles klar?
Ein rechtsmedizinisches Gutachten ist immer eine recht komplizierte Angelegenheit. So ist auch dem Durchschnittsdeutschen sicherlich nicht jeder Fachbegriff aus beispielsweise der Blutanalyse geläufig – und im Übrigen auch nicht zwingend jedem Richter. Deswegen müssen die Rechtsmediziner in einem Prozess in der Regel auf Bitten der Staatsanwaltschaft auch Aussagen machen, weil dann Fragen geklärt werden können und die Staatsanwaltschaft so auch zugleich den Fachkenntnisstand des hinzugezogenen Experten aufzeigt.
Nun sprach der genannte Schöffe offenbar nicht ausreichend Deutsch um einen solchen Bericht zu verstehen – und ich wette, andere Schöffen würden das auch nicht ohne weiteres. Das Prinzip des Laienrichters ist ja, daß er aus der eben nicht Formaljuristischen und Rechtsphilosophischen Praxis heraus argumentiert sondern den oder die Berufsrichter mit einer externen Meinung konfrontiert.
Aber natürlich lässt sich dieser Vorgang munter zur rassistischen Hetze nutzen, wie dieser Link zur Google-Suche zeigt. Sowohl dieses seltsame Thiazi-Forum als auch die ProBayern Bewegung nutzen die Geschichte gleich wieder in Richtung Integrationsverweigerer aus. Mal sehen wann die BILD damit aufmacht….