Crossing Over

Connys Meinung:

Man könnte sie das begehrteste Stück Papier der Welt nennen und würde dabei kaum übertreiben: Die Green Card. Es scheint manchmal nur zwei Sorten Menschen zu geben, nämlich jene, die sie besitzen und jene, die sie haben wollen. Crossing Over stellt verschiedene Menschen mit verschiedenen Hintergründen vor, für die diese Unterscheidung plötzlich zum Lebensinhalt wird. Leben werden zerstört, Familien getrennt.
Egal, ob eine australische Schauspielerin bereit ist, sich für das Land der unbegrenzten Karrieremöglichkeiten zu prostituieren, oder ein junger Atheist feststellt, dass es manchmal von Vorteil sein kann, gläubiger Jude zu werden, das Verlangen nach einer Green Card ist ihnen gemein.
Wenn etwas derart begehrt ist, sind die Menschen nicht wählerisch in ihren Mitteln, es zu erhalten. Genauso rücksichtslos wird oft auf der anderen Seite agiert, auf der Seite derer, die die Macht über die begehrte Sache besitzen. Ein Schulreferat kann dann plötzlich dazu führen, dass eine Familie auf viele Jahre, vielleicht für ein ganzes Leben, getrennt wird. Die Linie, die die Menschen in Amerikaner und Nicht-amerikaner teilt, ist scharf und lückenlos. Auf der einen Seite steht die Hoffnung auf ein besseres Leben, auf der anderen das alte Leben, dem man entflohen ist, und in welches die Rückkehr oft verwehrt bleibt.
Aber dann gibt es Menschen, in deren Herzen und Köpfen die Linie doch nicht so geradlinig und einfach verläuft, wie es zu Beginn den Anschein hat.
Crossing Over zeigt Menschen, die die Hand ausstrecken über eine Linie, die keine Überschreitung duldet. Manchmal kann ein Handschlag, ein Blick, ein kleines bisschen Einmischung in das Schicksal ein Leben retten. Ob das der Mitarbeiter der gefürchteten La Migra ist, der sich um den Sohn einer deportierten illegalen Arbeiterin kümmert, oder der Bruder eines Ehrenmörders, der einem kriminell zu werden drohenden Jugendlichen im letzten Moment eine zweite Chance gewährt – gratis. Green Card oder nicht – es ist die schwarz-weiße Welt des Gesetzes. Aber wo Menschen beteiligt sind, entstehen Grauzonen. Und in diesen Grauzonen können Leben mit ebensolcher Leichtigkeit vernichtet werden, wie sie entstehen können.

Der Film Crossing Over bemüht sich, verschiedenste Situationen aufzuzeigen, unterschiedliche Menschen und Kulturen vorzustellen und den Blick auf ein komplexes, oft ignoriertes Problem zu lenken. Zwangsweise bleibt es da bei einem kurzen Blick – wie Bilder, in langer Reihe, ähnlich den Menschen, die bei Nacht in langer Reihe die mexikanisch-US-amerikanische Grenze überqueren. Gesichter, hinter denen Schicksale stehen, die man aber oft nicht erraten kann. Der Film verbindet die einzelnen Bilder zu einem Ganzen, indem jeder Charakter in zwei Situationen verstrickt ist – zum Teil über mehrere Ecken. So sehr das dramaturgisch Sinn macht, wirken die Verbindungen oft auch gekünstelt und unrealistisch. Dramatisch und augenöffnend stellt sich jedoch das Ende des Films dar: auf dem Weg zur Green Card beschreiten alle einen wackligen Pfad, legen eine Gratwanderung zurück. Manche kommen heil an – andere stürzen unterwegs in die Tiefe. Der Schluss zeigt noch einmal diejenigen, die Glück gehabt hatten – und auch diejenigen, die eine kleine Stolperfalle zum Absturz gebracht hat.

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Niks Meinung:

Manche Menschen ergreifen einen Beruf, für den sie einerseits wie geschaffen sind, der sie andererseits aber völlig überlastet. Andere träumen davon, alles richtig zu machen und scheitern an der Wirklichkeit. Und manchmal machen Menschen furchtbare Fehler.
Der Film Crossing Over erzählt eine Reihe von Geschichten die sich immer wieder überschneiden. Die erste Geschichte erzählt von dem Einwanderungspolizisten Max Brogan (Harrison Ford), der im Gegensatz zu seinen Kollegen einfach keine Distanz zwischen sich und die notwendige Härte seines Berufes bringen kann. Stattdessen versucht er den Illegalen zu helfen wo er nur kann und geht daran langsam kaputt.
Sein muslimischer Kollege kann die Welt aus der er stammt nicht mit der Welt in der er ist vereinen: Die Tatsache daß sich seine Schwester auf eine Affäre mit einem verheirateten Latino eingelassen hat beschämt ihn so sehr, daß er ihren Mord durch seinen Bruder deckt. Das wiederum erkennt Brogan, als er ein Beweisstück im Anzug seines Kollegen findet, als er diesen in die Wäscherei bringt.
Der Sohn des Betreibers der Wäscherei ist Mitglied einer Jugendgang, die einen Überfall plant, den der erwähnte Kollege Hamid aber vereitelt. Claire Shepard (Alice Eve) möchte Schauspielerin werden, aber die Sache mit der GreenCard klappt nicht so recht. Dabei hilft ihr eine eher zufällige Affäre mit dem Beamten Cole, der ihr eine GreenCard für sexuelle Gefälligkeiten besorgen will. Dessen Frau betreut eine Familie, deren Tochter wegen einiger Äußerungen in der Schule in das Netz der Terrorangst der Behörden gerät und plötzlich politisch verfolgt wird. Währenddessen bemüht sich Claires Freund als Atheist eine Aufenthaltserlaubnis zu ergaunern, indem er einen gläubigen Juden vortäuscht.

Das sind die sechs Handlungsstränge und wie die Aufzählung bereits andeutet sind sie alle miteinander verknüpft, auch wenn die Verknüpfungen mitunter etwas gezwungen wirken. Diese Erzählweise ist weder neu noch besonders aufregend (selbst die Simpsons haben eine Episodenepisode gehabt) aber durch die Verknüpfungen gelingt es Regisseur Wayne Kramer sechs Geschichten zu erzählen die jede für sich genommen eigentlich zu kurz wären um einen Film zu füllen.
Die Figuren haben alle das gleiche Ziel: In den USA leben; In den USA arbeiten; In den USA eine Familie aufbauen. Und sie haben alle das gleiche Problem: die USA. Denn der amerikanische Traum basiert nicht auf harter Arbeit und dem Streben nach Glück, sondern auf schierem Glück im richtigen Moment. Und das hat nicht jeder.
Die Handlungsstränge verlaufen nicht linear und ganz besonders verlaufen sie nicht amerikanisch: Ein Happy End gibt es eigentlich nur für den atheistischen Musiker und für den koreanischen Jungen. Alle anderen erleben das wahre Amerika jenseits des Kinos. Und wenn Menschen darin versuchen zu funktionieren und trotzdem ihre Humanität behalten wollen, dann scheitern sie eben oft. Die meisten Kritiken, die man zu dem Film findet (z.B.: Spiegel, Welt, Cineastentreff) stören sich daran, weil sie dies für „Gutmenschen-Pathos“ halten. Ihre Autoren wären unter denen, die Brogan für seine vermeintliche Schwäche auslachen.

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